Quelle: Bundesministerium der Finanzen
Darum geht´s:
Das neue BMF-Schreiben zum ELStAM-Verfahren enthält erstmalig ein Kapitel zur Arbeitgeberhaftung.
- Worauf müssen Sie spätestens jetzt achten?
- In welcher Höhe können Sie haftbar gemacht werden?
Das Bundesministerium der Finanzen hat Ende vergangenen Jahres ein neues Schreiben zum Verfahren der elektronischen Abzugsmerkmale veröffentlicht. Im sogenannten ELStAM-Verfahren ist die Finanzverwaltung für die Bildung und Änderung der Lohnsteuerabzugsmerkmale sowie deren Bereitstellung für den Abruf durch den Arbeitgeber zuständig. Die steuerlichen Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben sich aus den §§ 38 bis 39f des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das BMF-Schreiben ersetzt die bisherigen BMF-Schreiben vom 08. November 2018 (Lohnsteuerabzug im Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale; BStBl I S. 1137) und 07.11.2019 (Abruf der Lohnsteuerabzugsmerkmale im ELStAM-Verfahren für gemäß § 18 Absatz 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2020; BStBl I S. 1087).
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Haftung des Arbeitgebers, die neu in das BMF-Schreiben zum ELStAM-Verfahren aufgenommen wurde.
I. Haftung des Arbeitgebers im ELStAM-Verfahren
Das überarbeitete BMF-Schreiben „Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM); Lohnsteuerabzug im Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale“ vom 13. Dezember 2024 besitzt zum ersten Mal ein Kapitel zur Arbeitgeberhaftung.
Danach haftet der Arbeitgeber jeweils in Höhe des Differenzbetrages zu der von ihm einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer zuzüglich ggf. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag (§ 42d Absatz 1 Nummer 1 EStG) zur Steuerklasse VI, wenn er sich in den nachfolgend beschriebenen Fällen nicht gesetzeskonform verhält.
II. Haftungsrelevante Gründe im ELStAM-Verfahren
A. Keine Anmeldung der Arbeitnehmer in der ELStAM-Datenbank
Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitnehmer, deren Arbeitslohn nicht pauschal besteuert wird, zu Beginn ihres Beschäftigungsverhältnisses bei der Finanzverwaltung anzumelden und damit die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) anzufordern. Hierzu zählen u.a. die Steuerklasse, die Zahl der Kinderfreibeträge bei den Steuerklassen I – IV und die für den Kirchensteuerabzug erforderlichen Merkmale.
Mit der Anmeldebestätigung werden dem Arbeitgeber die ELStAM des Arbeitnehmers zur Verfügung gestellt. Diese ELStAM sind für die Lohnabrechnung abzurufen, in das Lohnkonto zu übernehmen und gemäß der zeitlichen Gültigkeitsangabe anzuwenden (§ 39e Absatz 4 Satz 2 EStG).
Ausnahme: Arbeitgeber, die hierzu nicht in der Lage sind und denen es wirtschaftlich nicht zumutbar ist, können die Nichtteilnahme am ELStAM-Verfahren beantragen (sog. „Härtefallregelung“, § 39e Absatz 7 EStG). Stimmt das lohnsteuerliche Betriebsstättenfinanzamt dem Antrag zu, erhält der Arbeitgeber eine arbeitgeberbezogene Bescheinigung zur Durchführung des Lohnsteuerabzugs. Sie enthält die für das jeweilige Kalenderjahr gültigen Lohnsteuerabzugsmerkmale der einzelnen Arbeitnehmer. Sollten sich Lohnsteuerabzugsmerkmale ändern, wird dem Arbeitgeber automatisch eine Bescheinigung mit den geänderten Lohnsteuerabzugsmerkmalen übersandt.
Meldet der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer entgegen der gesetzlichen Vorgaben bei der Finanzverwaltung nicht an, kann er die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale seiner Arbeitnehmer nicht abrufen. In diesem Fall sind die betroffenen Arbeitnehmer mit Lohnsteuerklasse VI abzurechnen.
B. Lohnsteuerabzug ohne ELStAM
1. Fehlende ELStAM
Kann der Arbeitgeber die ELStAM nicht abrufen, weil z.B. der Arbeitnehmer
- zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses die zum Abruf der ELStAM erforderliche steuerliche Identifikationsnummer und das Geburtsdatum schuldhaft nicht mitteilt,
- die Übermittlung der ELStAM an den Arbeitgeber gesperrt oder den Arbeitgeber nicht zum Abruf der ELStAM berechtigt hat (§ 39e Absatz 6 Satz 6 Nummer 1 EStG) oder
- eine Bildung oder Bereitstellung der ELStAM allgemein sperren lassen hat (§ 39e Absatz 6 Satz 6 Nummer 2 EStG).
muss die Lohnsteuer nach Steuerklasse VI einbehalten und abgeführt werden.
2. Fehlerhafte ELStAM
Entfällt aufgrund einer fehlerhaften Datenlieferung der Meldebehörden die Ehegattenverknüpfung, kann es passieren, dass die Finanzverwaltung dem Arbeitgeber rückwirkend eine falsche Steuerklasse mitteilt (z.B. Steuerklasse I statt III).
In diesen Fällen darf der Arbeitgeber maximal drei Monate die voraussichtlichen Lohnsteuerabzugsmerkmale des Arbeitnehmers – dies sind in diesem Zusammenhang die bisherigen ELStAM – anwenden (§ 39c Absatz 1 Satz 2 EStG).
Die Finanzverwaltung akzeptiert diese Vorgehensweise bei unzutreffenden ELStAM auch, wenn keine technische Störung im engeren Sinn vorliegt. In diesem Fall genügt es, dass der Arbeitnehmer sich gegenüber seinem Arbeitgeber erklärt. Der Arbeitgeber muss diese Erklärung dann zum Lohnkonto nehmen.
Erhält der Arbeitgeber die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale
- vor Ablauf der drei Monate, hat er die Lohnsteuerermittlungen für die vorangegangenen Kalendermonate zu überprüfen und – falls erforderlich – zu ändern (§ 39c Absatz 1 Satz 4 EStG).
- erst nach Ablauf der drei Monate (ggf. statt der ELStAM auch die Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug), ist eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nur nach § 41c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG möglich.
Liegen nach Ablauf der drei Kalendermonate die korrekten ELStAM nicht vor und hat der Arbeitnehmer auch keine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug mit den Steuerabzugsmerkmalen vorgelegt, muss der Arbeitgeber rückwirkend die Besteuerung mit Lohnsteuerklasse VI vornehmen und die Lohnsteuerermittlungen für die vorhergehenden drei Monate korrigieren.
D. Lohnsteuerabzug bei unbeschränkt einkommenssteuerpflichtigen Arbeitnehmern ohne steuerliche Identifikationsnummer
Hat ein unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger und im Inland meldepflichtiger Arbeitnehmer unverschuldet noch keine steuerliche Identifikationsnummer erhalten, kann das Bundeszentralamt für Steuern die ELStAM automatisiert bilden und für den Arbeitgeberabruf zur Verfügung stellen.
In diesen Fällen hat der Arbeitgeber maximal drei Monate die voraussichtlichen Lohnsteuerabzugsmerkmale des Arbeitnehmers anzuwenden (§ 39c Absatz 1 Satz 2 EStG).
Liegen dem Arbeitgeber auch nach Ablauf der drei Monate nicht die Identifikationsnummer und das Geburtsdatum des Arbeitnehmers vor und hat der Arbeitnehmer auch ersatzweise keine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug beantragt oder innerhalb von 6 Wochen nach Beschäftigungsbeginn vorgelegt, muss der Arbeitgeber wie bei den fehlerhaften ELStAM rückwirkend die Besteuerung nach der Lohnsteuerklasse VI durchführen und die vorhergehenden drei Monate korrigieren. Erhält der Arbeitgeber in diesen Fällen die ELStAM oder ersatzweise die Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug nach Ablauf der drei Monate, ist eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nur nach Maßgabe des § 41c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG möglich.
Hinweis: O.g. gilt auch, wenn ein Arbeitgeber die ELStAM wegen technischer Störungen nicht abrufen kann.