Arbeitsrecht

Urlaubsabgeltung oder doch lieber Urlaub bei Beschäftigungsende?


Wechselt ein Arbeitnehmer das Unternehmen, stellt sich regelmäßig die Frage nach dem Resturlaub, den der Beschäftigte noch nicht genommen hat.

Urlaubsabgeltung nur zum Beschäftigungsende möglich

Nur zum Ende eines Beschäftigungsverhältnisses darf der Arbeitgeber Resturlaubstage, die der Arbeitnehmer z.B. wegen eines Projekts nicht mehr nehmen kann, ausbezahlen (Urlaubsabgeltung). Kritisch wird es, wenn auf einmal ungewollt viele Resturlaubstage ausbezahlt werden müssen.

Genau das kann aber nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Deutschland angeschlossen hat, passieren.

Danach erlischt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nämlich i.d.R. nur dann am Ende eines Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsrisiken belehrt hat und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Auslöser: Klage auf Urlaubsabgeltung

Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter war von August 2001 bis Ende Dezember 2013 bei der Max-Planck-Gesellschaft in München beschäftigt. Aus den Jahren 2012 und 2013 besaß er 51 nicht genommene Urlaubstage. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses klagte er zunächst vor dem Landesarbeitsgericht München (LAG München, Az: 8 Sa 982/14) und dann vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Az: 9 AZR 541/15) auf eine Urlaubsabgeltung in Höhe von knapp 12.000,00 EUR brutto.

Während seines Beschäftigungsverhältnisses hatte der wissenschaftliche Mitarbeiter keinen Urlaubsantrag für die 51 Urlaubstage gestellt.

Urlaub - Anspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz

Nach § 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) muss "der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche Gründe oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen."

Urlaub - Anspruch nach EU-Richtlinie 2003/88/EG

Nach Artikel 7 Absatz 1 der EU-Richtlinie 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten "... die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind."

Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Urlaubsabgeltung im aktuellen Fall

Das Bundesarbeitsgericht hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob das deutsche Urlaubsrecht in diesem Punkt mit der europäischen Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG vereinbar ist.

Nach Auffassung des Europäische Gerichtshofs (EuGH) muss der Arbeitgeber alles dafür tun, dass seine Beschäftigten ihren Urlaub nehmen können. Hierzu gehört, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten klar, eindeutig und auf ihren Einzelfall bezogen hinweist, dass der Urlaub verfällt, wenn er nicht rechtzeitig genommen wird (EuGH 6.11.2018 - Rs. C-684/16).

Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Urlaubsabgeltung im aktuellen Fall

Das Bundesarbeitsgericht hat angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs seine Rechtsprechung weiterentwickelt.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Der Arbeitgeber muss aber keinen Urlaub für den Arbeitnehmer planen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) muss der Arbeitgeber jedoch klar und rechtzeitig darauf hinweisen, dass der Urlaub andernfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraumes erlischt.

Ohne diesen schriftlichen Hinweis hat der Arbeitnehmer i.d.R. einen Anspruch, den Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt zu nehmen bzw. - sollte er das Unternehmen verlassen - ggf. auszahlen zu lassen.

Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat jetzt aufzuklären, ob die Max-Planck-Gesellschaft dem nachgekommen ist.

Fazit

Die Entscheidung führt ggf. zu einer erheblichen Mehrarbeit in den Unternehmen und zu einer möglichen Kostenfalle, wenn nicht genommene Urlaubstage nachträglich genommen oder abgegolten werden müssen.

Ein mögliches Szenario ist:
Arbeitnehmern, die zum 01.01. eines Kalenderjahres beim Arbeitgeber beschäftigt sind, wird eine Frist für die Abgabe ihrer Jahresurlaubsanträge gesetzt. Im Anschluss erhalten die Arbeitnehmer, die nicht den vollen Jahresurlaub beantragt haben, eine E-Mail. In dieser E-Mail werden sie über ihre noch nicht eingereichten Urlaubstage informiert und darauf hingewiesen, dass diese ggf. zum 31.12. des Kalenderjahres verfallen.

Bei Beschäftigten, die unterjährig beginnen ist analog vorzugehen.

Für den hausinternen Mitarbeiterfrieden empfiehlt es sich, diese eventuell neue Vorgehensweise zunächst hausintern anzukündigen.