Sozialversicherung

2022: Auswirkungen der sinkenden BBG RV West auf die bAV

Auswirkungen der sinkenden BBG RV West auf die bAV in 2022

Darum geht's: Welche Auswirkungen hat die sinkende BBG RV West auf die bAV?

In 2022 sinkt zum ersten Mal die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung West (BBG RV West). Hintergrund ist die durch die Corona-Pandemie geprägte, negative Entwicklung der Löhne und Gehälter im Jahr 2020.

Der Bundesrat hat der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung 2022, mit der auch die BBG in der allgemeinen RV West bestimmt wird, am 26.11.2021 zugestimmt.

Die sinkende Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung West wirkt sich u.a. unmittelbar auf die betriebliche Altersversorgung aus.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit wichtigen Auswirkungen für die kapitalgedeckten Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen (jeweils Neuzusagen ab 2005) aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht.

Sinkende Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung West in 2022

wdt_ID BBG allgemeine RV West 2021/2022 2021 2022
3 BBG allgemeine RV West (jährlich) 85.200 84.600
4 BBG allgemeine RV West (monatlich) 7.100 7.050

In 2022 sinkt die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung West von 85.200 EUR/Jahr (7.100 EUR/Monat) auf 84.600 EUR/Jahr (7.050 EUR/Monat).

Dies hat u.a. Auswirkungen auf die kapitalgedeckten Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen.

Auswirkungen der sinkenden BBG RV West auf die bAV in 2022

I. Geringerer gesetzlicher Anspruch auf Entgeltumwandlung zur bAV

Beschäftigte haben nach § 1a Abs. 1 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) einen Anspruch auf Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Höhe von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung West.

Ist der Arbeitgeber zur Durchführung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder in Form einer reinen Beitragszusage bereit, ist die betriebliche Altersversorgung dort durchzuführen. Andernfalls kann der Arbeitnehmer verlangen, dass der Arbeitgeber für ihn eine Direktversicherung abschließt.

Angesichts der sinkenden BBG in der allgemeinen RV West hat der Arbeitnehmer in 2022 nur noch einen Anspruch auf eine Entgeltumwandlung in Höhe von maximal (4% aus 7.050 EUR=) 3.384 EUR/Jahr (2021: 3.408 EUR/Jahr). Dies entspricht 282 EUR/Monat (2021: 284 EUR/Monat).

Arbeitgeber müssen prüfen, ob ein Tarifvertrag und/oder ihre Versorgungsordnung für die betriebliche Altersversorgung eventuell eine Deckelung der Entgeltumwandlung zur bAV auf maximal 4% der BBG in der allgemeinen RV West begrenzt. Ggf. müssen bestehende bAV-Verträge mit den Arbeitnehmern und den Versicherungsunternehmen geändert oder neue Verträge abgeschlossen werden.

Hinweis: Macht der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Entgeltumwandlung geltend, muss er jährlich einen Betrag in Höhe von mindestens einem Hundertsechzigstel der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV umwandeln. ( § 1a Ab. 1 Satz 4 BetrAVG)

II. Entgeltumwandlung zur bAV nur noch zu einem geringeren Betrag beitragsfrei

Die Beiträge zu einer kapitalgedeckten Pensionskasse, einem Pensionsfonds oder einer Direktversicherung, die der Arbeitnehmer durch eine Entgeltumwandlung finanziert, sind bis zu 4  Prozent der BBG in der allgemeinen RV West beitragsfrei (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 SvEV). Dies entspricht dem gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Voraussetzung ist, dass die umgewandelten Beträge steuerfrei sind.

Ein Arbeitgeberzuschuss ist ebenfalls so lange beitragsfrei, wie er gemeinsam mit der Entgeltumwandlung 4 Prozent der BBG in der allgemeinen RV West nicht überschreitet. Der Teil des Arbeitgeberzuschusses, der den Freibetrag überschreitet, ist dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen.

Aufgrund der sinkenden BBG in der allgemeinen RV West sinkt in 2022 im Vergleich zu 2021 der Freibetrag für die Entgeltumwandlung zu einer Pensionskasse, einem Pensionsfonds oder einer Direktversicherung um 2 EUR je Monat bzw. 24 EUR im Jahr.

Daher sollten der Arbeitgeberzuschuss und die Entgeltumwandlung zusammen bei einem Arbeitnehmer, der in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig ist, im kommenden Jahr 282  EUR/Monat bzw. 3.384 EUR/Jahr nicht übersteigen.

Beispiel: Auswirkungen der sinkenden BBG in der allgemeinen RV West auf die bAV

Ein Arbeitnehmer verdient monatlich 3.500 EUR brutto. Seit 2021 wandelt er zugunsten einer Pensionskasse monatlich 246,96 EUR um. Sein Arbeitgeber leistet monatlich einen Zuschuss von 37,04 EUR.
 
In 2022 bleibt dies unverändert.

wdt_ID Beispiel in €
1 Beschäftigung in 2022 gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 3.500,00
2 Entgeltumwandlung (Pensionskasse) von mtl. 246,96
3 Arbeitgeberzuschuss von 15% der Entgeltumwandlung 37,04

wdt_ID Lösung in €
1 laufendes Arbeitsentgelt nach Entgeltumwandlung (3.500 EUR - 246,96 EUR) 3.253,04
2 mtl. Freibetrag 2022: (4% von 7.050 EUR=) 282 EUR
3 beitragspflichtiger Betrag der Entgeltumwandlung (246,96 EUR - 282 EUR=) 0,00
4 beitragspflichtiger Arbeitgeberzuschuss (246,96 EUR + 37,04 EUR - 282 EUR)= 2,00
5
6 Sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt 3.255,04

Die Entgeltumwandlung und der Arbeitgeberzuschuss betragen im o.g. Beispiel 284 EUR. Der Betrag übersteigt um 2 EUR den Freibetrag von 282 EUR. Daher sind 2 EUR des Arbeitgeberzuschusses dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzuordnen.

In 2021 waren aufgrund des höheren Freibetrags von 284 EUR sowohl die Entgeltumwandlung als auch der Arbeitgeberzuschuss beitragsfrei.

Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss bei SV-Ersparnis durch Entgeltumwandlung sinkt vor allem bei Spitz-Abrechnung

Ab dem kommenden Jahr muss der Arbeitgeber auch für sogenannte Altverträge maximal 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung weiterleiten, wenn er durch die Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers Sozialversicherungsbeiträge spart. Er kann jedoch auch die tatsächliche SV-Ersparnis berechnen und an das jeweilige Versicherungsunternehmen weiterleiten. Neben der sogenannten Spitz-Abrechnung gibt es auch die Spitz-Abrechnung mit Deckel. Bei dieser berechnet der Arbeitgeber die tatsächliche SV-Ersparnis, leitet aber nur maximal 15 Prozent des umgewandelten Betrages an das Versicherungsunternehmen weiter.

Diese Regelung besteht seit dem 01.01.2019 bereits für Neuverträge in den o.g. Durchführungswegen.

Insbesondere, wenn der Arbeitgeber für den Pflichtzuschuss die tatsächliche SV-Ersparnis (Spitz-Abrechnung oder Spitz-Abrechnung mit Deckel) berechnet, wirkt sich die sinkende Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen RV West aus.

Fazit

Die sinkende Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen RV West wird in vielen Unternehmen zu einem erheblichen Mehraufwand führen: Tarifverträge und/oder Versorgungsordnungen zur bAV müssen überprüft und bAV-Verträge ggf. angepasst oder neu abgeschlossen werden.